Vater: Freuden?
Ja, man darf es ja nicht sagen, aber ich trau mich dann doch mal, Jehova zu rufen:Vater werden ist doch scheiße!!!
Da bist du grad anderthalb Jahre mit ner Frau zusammen, die Kinder genau so wie Du dann will, wenn das erste Skiresort in Uganda aufmacht, Studium ist rum, beruflich gehts grad das erste mal gut genug los dass man sich überlegt, sich mal wohin wegzubewerben, wo man richtiges Geld verdient, und auch der dafür wohl nötige (oder zumindest mögliche) Auslandsaufenthalt fängt langsam an, in die erste konkrete Planungsphase überzugehen. Der Job ist der Hammer (ok, man wird ned reich, aber die Arbeit ist geil), und der große Traum ist nach gaaaaaaaaaaaaanz langem Fabulieren zumindest theoretisch in den Bereich des Möglichen gerückt, wenn die nächsten paar Jahre alles so gut weiterläuft und man sich ranhält...
Und dann, die Sterilisation ist für nächsten Urlaub fest mit eingeplant (Uganda schaffts eh nie...), triffste an der Pille vorbei voll ins Schwarze!
Juhuuu! Vaterfreuden, Glückwünsche, Bruder schenkt gleich nen Schnuller als Glücksbringer fürs Baby und n Glas saure Gurken für die werdende Mama, und alle sagen Dir, wie toll das werden wird, wenn das kleine Geschöpf dich anlächelt, mit seinen kleinen Fingerchen nach Dir greift und Papa sagt... das bißchen Windeln wechseln und Schlafmangel sind da so ein kleiner Preis...
Und du setzt dein überzeugendstes Verkäuferlächeln auf, bis Du Dich beinahe selbst überzeugst, machst dich in drei Wochen viermal dran, das Rauchen aufzugeben (Mama hat schließlich den kompletten Crashstop hingelegt, von 2 Schachteln auf Null, Rääääääspeckttt!), und...
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...ganz von hinten frickelt sich so lansam die Gewissheit in den Vordergrund, dass Dein Leben am Tag Der Zwei Streifen geendet hat.
Beruf? Tja, wie Du schon immer gewollt hast, besteht der nun mal aus Reisen, mit viel Glück hast Du wenigstens das Wochenende daheim, meist eher nen haloben Sams- und nen halben Sonntag, denn Montag ist es eigentlich nur der Uhr nach, und du musst wieder los... hat immer super geklappt, man ging sich nicht mit zu viel Alltag auf den Sack und hat sich sowas von gefreut sich wiederzusehen... Und ja, eigentlich freust Du Dich immer noch auf jeden Trip... aber das Kind muss ja auch nen Vater haben, also wars das jetzt wohl... Na egal, Netcologne braucht immer Akquiseleute, macht auch Geld. Raus aus dem Traum, rein in die Tretmühle...
Auslandsaufenthalt? Wolltet ihr beide ja, nur bald weg von hier... und jetzt ist die Mama in Sorge um die sozialen Kontakte, den Stress mit dem Umzug, und dann noch Klinik und Hebamme suchen undundund... was nicht noch alles im Ausland anders sein mag... und das alles ohne Leute, die man kennt... Ja, ist echt alles nachzuvollziehen, und mit nem Baby auf dem Weg (oder vielleicht schon da) ist auch Dir das fast zu stressig... aber lass überlegen... Kind kommt, dann noch locker ein Jahr bis das Puut aus dem Gröbsten raus ist (da sind Hilfestellungen von Family und Freunden ja wichtig, sehr verständlich), und dann noch ein Jahr, weil man dann erst mal wieder runter kommen muss von dem Stress des ersten Jahres, dann winkt schon der Kindergartenplatz, den man ja auch Ewigkeiten im Voraus beantragen muss (Mama will sich ja auch wieder selbst verwirklichen nach so langer Zeit nur Mama sein), und dann will man das Kind ja auch nicht aus seinem eigenen Umfeld reißen... und schon ist es in der Schule, und man kommt nie wieder weg...
Der große Traum? Tja, Pech gehabt, mein Gutster, das dafür nötige Geld hat der Kleine verfrühstückt, plus die normalen Einkommenseinbußen, die man zwangsläufig hat, wenn nur noch einer von beiden arbeiten geht (ja, Mama will so schnell wie möglich wieder in den Job, aber seien wir mal realistisch, so schnell wie möglich ist seeeeehr dehnbar im Fall des Falles...). Zeit ist auch keine mehr da, und nach ein, zwei Jahren steckst Du eh so tief im Hamsterrad, da ist dir jede kleine Freude wichtiger als das ehemals große Ziel, also gibts stattdessen den Flatscreen, den neuen Wagen, und den dritten Kredit, der dich jetzt auf paar Jahre fesselt... Und das Verkäuferlächeln friert Dir langsam im Gesicht fest, und du denkst immer nur an den Witz mit der Punchline "...heute wär ich rausgekommen"... und so willst Du verdammt noch mal nicht enden!
Plopp, plopp, plopp, eine Blase nach der nächsten platzt, noch bevor der Bauch sichtbar wird... Glückwünsche? Immer her damit, das Glück kann ich brauchen, ach hätt ich den Abend bloß ins Taschentuch gewixt, Heilandsacklzement! Und darum ist auch am dritten Tag des dritten Abgewöhnversuchs die Schachtel Kippen wieder da, weil nein, verdammte Hacke, ich wollte doch nur ne Freundin und nen Hund, for crying out loud, und nie ist das Qualmen abgewöhnen schwerer, als wenn Du dich dazu gezwungen fühlst! Was wird aus meinem Motto "Ich weigere mich, erwachsen zu werden" und "Never too old for Rock N Roll"?!?
Ja, und da steh ich jetzt... und hab meiner Freundin vorhin gesagt, dass ich mit ihr gern irgendwann im Altersheim aus Schnabeltassen Suppe saufen will, aber aufs Kind hab ich eigentlich genau NULL Bock...
Und ja, ich werd trotzdem dabeibleiben, aus tausend Gründen, von "A man's gotta do what a man's gotta do" über "Ich lieb sie halt, und ich krieg sie jetzt nur noch mit Kind, also scheiß drauf und weiter", bis hin zur Hoffnung, dass es doch so toll ist, wenn ich mit meinem Sohn Fußball spielen kann (ich hasse Fußball, und ne Tochter wär mir eh lieber, wenn schon, die heißt wenigstens nicht Kevin...) und ich bin mir sicher wir kriegen es nicht schlechter groß als alle anderen und ich werd auch bestimmt ein prima Papa...
...aber mal ehrlich: Sicher, dass das Spaß macht?!? Muss man sich darauf und darüber freuen?!?
OK, die Ironietags dürft ihr selber setzen wo ihr wollt, aber ja, im Moment hab ich grad den Vaterwerde-Blues, und nicht alles ist nicht ernst gemeint...
Kennt bestimmt außer mir noch der eine oder andere, oder? Was sagt ihr dazu? Muss ich auf jeden Fall Glücklich sein, weil ich Papa werde?
LG
Micha